Warum physische Daten der Schlüssel für KI und Robotik sind
Warum physische Daten der Schlüssel für KI und Robotik sind
Ich habe den Eindruck, dass physische Daten der Schlüssel sind, damit KI wirklich robust und präzise wird. Es gibt derzeit zwar keinen „Beweis” im Sinne eines allgemein akzeptierten Theorems, aber gute empirische Hinweise. Während das Feld der generativen KI rasant wächst, gibt es bei realer sensorischer Daten und realen Agenten berechtigte Gründe für Skepsis.
Scheinwelten erkennen und ihre Grenzen verstehen
Viele aktuelle generative Bild- und Video-KI-Modelle erzeugen Resultate, die auf den ersten Blick atemberaubend konsistent und logisch wirken. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Die Geometrie dieser „Scheinwelten” stimmt oft nicht mit realer Physik überein. Fluchtlinien treffen sich nicht sauber, Perspektiven springen, Proportionen schwanken. Es wirkt mitunter so, als würde jemand perspektivisches Zeichnen gerade erlernen.
Für Entertainment-Anwendungen mag das ausreichend sein. Sobald jedoch ein Roboter in so eine Welt „hineingesetzt” wird – ob zur Navigation, Manipulation oder Interaktion – wird der Mangel an geometrischer Konsistenz zum Problem. Für einen Roboter zählt nicht, wie schön ein Bild aussieht, sondern ob Koordinaten, Tiefen und Winkel stimmen. Scheinwelten können täuschen. Reale Sensorik hingegen nicht.
Warum reale Sensorik (noch) unschlagbar bleibt
Rolling Shutter, Synchronisation und geometrische Verzerrungen
Rolling-Shutter-Effekte bei Kamerabewegung: Viele preiswerte Kameras nutzen einen sogenannten Rolling Shutter. Bei diesem Verfahren wird das Bild nicht auf einmal, sondern Zeile für Zeile ausgelesen. Das bedeutet: unterschiedliche Teile eines Bildes stammen von leicht unterschiedlichen Zeitpunkten, was bei Bewegung zu Verzerrungen führt. 1
Praktische Auswirkungen in der Robotik: In robotischen Anwendungen mit Bewegung oder Kamerabewegung – sei es am Roboter selbst oder in der Umgebung – führt Rolling Shutter zu Problemen. Objekte oder Strukturen verziehen sich, Linien erscheinen schief, Bewegungen wirken verzerrt. 2
Kompensation durch Algorithmen: Selbst moderne Algorithmen zur Visual-Inertial Odometry (VIO), also der Kombination aus Bilddaten und IMU-Daten (Inertialsensoren), müssen explizit die Rolling-Shutter-Verzerrung modellieren, um brauchbare Ergebnisse zu erzielen. Ein Beispiel dafür ist das Framework Ctrl‑VIO. 3
Sensorfusion und Multi-Modalität als Weg zur robusten Weltwahrnehmung
Kamera und Inertialsensoren kombiniert: Viele aktuelle Ansätze kombinieren Kameradaten mit IMU-Messungen – also Beschleunigung und Rotation – um Bewegungsverzerrungen zu kompensieren und genauere Pose- bzw. Tiefenschätzungen zu erhalten. 4
Event-Kameras als neue Sensortechnologie: Daneben gibt es experimentelle und zunehmend populäre Methoden mit sogenannten Event-Kameras. Diese erfassen nicht regulär Bilder, sondern Änderungen im Lichtstrom mit hoher zeitlicher Auflösung und sehr niedrigem Latenzverhalten. Bei schnellen Bewegungen oder in schwach beleuchteten Szenarien zeigen sie deutliche Vorteile gegenüber klassischen Kameras. 5
Multimodale Sensordaten als Fundament: Solche multimodalen, physisch realistischen Sensordaten sind kein Luxus, sondern vermutlich das notwendige Fundament für agentische KI-Systeme. Das heißt: Systeme, die nicht nur erkennen, sondern auch agieren, navigieren oder manipulieren können.
Reale Umgebungen statt idealisierter Datensätze
Das Datensatz-Problem: Viele etablierte Trainingsdatensätze im Bereich Bilder, Videos oder 3D-Simulation spiegeln visuell attraktive, aber oft idealisierte oder saubere Szenarien wider. Für Anwendungen in der echten Welt fehlen häufig Szenarien mit schlechten Lichtverhältnissen, wenig Textur, Bewegungen, Sensorunschärfe oder komplexer Multi-Sensorik.
Edge-Cases als zentrales Problem: Besonders problematisch sind Edge-Cases wie schnelle Bewegungen, wechselnde Lichtverhältnisse, unstrukturierte Oberflächen oder wenig Tiefeninformation. Dort versagen viele aktuelle Algorithmen trotz guter Trainingsdaten. Sensorbasiertes Training auf realistischen Daten zwingt Modelle hingegen, mit Unsicherheit, Rauschen und physikalischen Verzerrungen umzugehen.
Warum physische Daten für die Weiterentwicklung von Machine Learning entscheidend sind
Die Grenzen aktueller KI-Modelle liegen selten in der Rechenkapazität, sondern fast immer in der Qualität und Struktur des Trainingsmaterials. Modelle, die in synthetischen oder bildzentrierten Welten lernen, erreichen beeindruckende Perzeptionsleistungen. Sie entwickeln jedoch kein stabiles Verständnis der physikalischen Konsistenz der Welt. Ohne präzise Geometrie, korrekte Synchronisation und verlässliche Sensorik fehlt ihnen das Fundament, um in realen Szenarien zuverlässig zu handeln.
Physische Daten erfüllen eine Funktion, die rein visuelle oder synthetisch generierte Daten nicht bereitstellen können: Sie enthalten unvermeidbare Signaturen der Realität. Das Zusammenspiel aus Licht, Material, Bewegung, Verzerrungen, Reibung, Timing und Fehlern der Sensoren selbst. Genau diese Unordnung befähigt Modelle, robuste Invarianten zu lernen. Systeme, die damit trainiert werden, entwickeln eine Resilienz gegenüber den Bedingungen, unter denen Roboter und autonome Agenten arbeiten müssen.
Für präzise 3D-Wahrnehmung, Greifen, Navigation oder kollaboratives Arbeiten wird die Lücke zwischen 85 % und 99 % Genauigkeit nicht durch mehr Rechenleistung geschlossen. Sie wird durch Daten geschlossen, die die Komplexität der Welt abbilden. Dazu gehören Rolling-Shutter-Charakteristika, Dynamik bei schlechter Beleuchtung, Multi-View-Synchronisation, Kameradrift und sensorbedingte Rauscheffekte. Solche Aspekte werden in heutigen Web-, Video- oder Diffusions-Datasets kaum erfasst, sind aber entscheidend für Robotik und Embodied AI.
Kurz gesagt: Fortschritt in Machine Learning hängt zunehmend davon ab, wie gut Modelle physische Signale verstehen und vorhersagen können. Wer die nächste Generation autonomer Systeme entwickeln will, muss sich der Realität stärker aussetzen. Nicht nur der Ästhetik generierter Bilder, sondern den rohen, kantigen Daten der wirklichen Welt. Dadurch entsteht das Fundament für Modelle, die nicht nur sehen, sondern auch handeln können.